Navigation

26.07.2013 Standpunkte

Abenteuer in Rumänien - Reisetagebuch: Erster Tag

Voller Erwartung kamen wir um ca. 5:45 Uhr im Camp an. Dies war der Zeitpunkt, an dem uns trotz Müdigkeit zum ersten Mal der Kloß im Hals stecken blieb. Ich denke, keiner von uns erwartete, dass das Camp-Gelände eine wild bewachsene Wiese war. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, einen Rasenmäher hat diese Wiese selten bis nie gesehen. Nun gut, nachdem wir aus dem Bus ausstiegen waren und uns auf den Gras- und Schotterwegen orientiert hatten, wurden wir von der Hauswirtschafterin und dem Koch empfangen und begrüßt. Auch unser freundlicher „Abhol-Atilla“ hieß uns noch mal herzlich willkommen. Als er 2010 zusammen mit Róbert beim Reisehelferkurs war, konnte er noch kein Wort Deutsch. Umso erfreuter waren wir, als er uns schon am Flughafen in unserer Landessprache begrüßte.

Wir wurden gefragt, ob wir jetzt gleich oder erst nach einem Nickerchen frühstücken wollen. Kurzerhand entschieden wir uns für eine schnelle Tasse Kaffee und ein Stück Brot mit Wurst. Die Frühstückstische waren Tapeziertische mit Papiertischtüchern. Anita, Thomas und ich staunten erst mal über die doch recht einfache Möblierung. Als wir mit unserem Frühstück fertig waren, entschlossen wir uns, doch noch ein kleines Nickerchen zu machen. Auf dem Camp-Gelände standen zehn kleine Häuschen mit jeweils einer sehr steilen Treppe. Hier lagen noch keine Rampen. An einem Haus lag bereits eine Rampe, die auch nicht ganz so steil war. Da wir die ersten Ankömmlinge im Camp waren, besetzten wir dieses kleine, aber feine Häuschen. Wir drei waren uns einig, dass wenn wir in diesem Häuschen bleiben könnten, unser Urlaub gar nicht so schlecht werden würde. Atilla richtete uns die Betten mit Laken und vorbereiteten Decken. Alles war recht einfach und sehr spartanisch eingerichtet, doch dies war uns nach etwa 15 Stunden Anreise relativ egal. Nach etwa dreieinhalb Stunden wachten wir wieder auf und das Abenteuer Malteser Camp in Rumänien konnte beginnen.

Zunächst sahen wir nur einige herumwuselnde Malteser Freiwillige, die in den anderen Hüttchen jeweils zwei doppelte Stockbetten herrichteten. Irgendwann am Mittag kamen auch Jugendliche, die an jedes Haus eine selbstgezimmerte Rampe hinlegten. Die Rampen bestanden aus fünf zusammengenagelten, unterschiedlich langen Holzbrettern. Damit die Rampen nicht einstürzen, wurden sie mit mehr oder weniger gleichmäßigen Baumstümpfen unterstützt. Uns Dreien wurde es heiß und kalt wenn wir daran dachten, dass da Rollstuhlfahrer, egal ob mit Schiebe- oder E-Rolli, hochfahren sollten. Vor allem waren die Rampen auch noch richtig steil. Wir waren froh, dass wir schon in unserem vermeintlich vorläufigen Haus eingezogen waren.

Doch wie das Leben oft so spielt kommt es erstens anders und zweitens als man denkt. Irgendwann am Nachmittag bat uns Róbert wieder aus dem liebgewonnenen Haus auszuziehen, weil es für eine größere Gruppe vorgesehen war. Er ließ uns netterweise frei entscheiden, in welches Holzhäuschen wir einziehen wollten. Alle anderen Hütten sahen von außen gleich aus und wir entschieden uns für das nächstgelegene mit der Hausnummer 5. Thomas musste all unsere bezogenen Bettdecken und Koffer in das neue Häuschen bringen.
Den Nachmittag hatten wir zur freien Verfügung. Thomas, Anita und ich akklimatisierten uns erst mal und lernten uns auf dem grasbewachsenen Untergrund zurechtzufinden. Ganz toll war auch herauszufinden, dass es nicht nur Gras, sondern auch Schlaglöcher gab. Wir beteten zum Himmel, dass es in dieser Woche nicht regnen möge. Ich glaube, dann hätte sich unser Urlaub auf eine sehr kleine Fläche beschränkt.

Irgendwann stand Róbert mitten auf dem Platz und rief „Vacsora“.  Da alle anderen Teilnehmer unter einen Carport schlenderten, gingen wir einfach hinterher. Dank unserer visuellen Fähigkeiten, kombinierten wir, dass das Wort Vacsora auf Deutsch Abendessen heißen musste. Unter dem Carport standen unsere „Esstische“. Die sahen aus, wie Tapeziertische und die Tischdecken bestanden aus weißem Papier. Da das Ganze nicht stabil war, durften wir im Laufe unseres Aufenthalts bei jeder Mahlzeit den Tisch ausrichten.

Jetzt kam ein Moment, der für uns völlig neu war. Es war uns nicht so ganz klar, dass Malteser einen christlichen Hintergrund hat. Es wurde sowohl vor, als auch nach dem Essen gebetet. Anita, Thomas und ich verstanden kein Wort, weil auf Ungarisch gebetet wurde (obwohl wir in Rumänien waren). Genau wie alle anderen, falteten wir anständig die Hände und senkten die Köpfe.

Wir drei begannen gemütlich zu essen. Und wieder kam die Regel: und erstens kommt es anders …
Nach einer viertel Stunde kam unser lieber Robert und begann ein Gebet zum Ende des Essens. Völlig verblüfft und entsetzt falteten auch wir wieder die Hände. Uns wurde bedeutet, dass wir nach dem Gebet noch in Ruhe weiter essen könnten. Dies stellte sich als Trugschluss heraus. Unsere rumänischen Gastgeber deckten in Windeseile den Tisch ab und zogen die Tischdecken weg. Wir hoben ganz schnell unsere Suppenschüsseln, da sie ansonsten mit weg gewesen wären. Róbert verkündete noch, dass der Abend zur freien Gestaltung freigegeben war.

Wir Krautheimer guckten uns immer wieder an und fragten uns, wie wir diese Woche, mit den ganzen Sprachbarrieren – Attila und Róbert ausgenommen – meistern sollten.

Als wir schon fast zu Bett gehen wollten, tauchte ein Licht am Horizont auf, in Gestalt von drei jungen Frauen. Sie kamen auf uns zu. Eine davon saß im Rollstuhl. Es stellte sich heraus, dass eine der Fußgängerinnen schon mehrfach im Camp war und aus Deutschland kam. Sie bot uns an, die ganze Woche für uns zu übersetzen. Nun konnten wir beruhigt schlafen gehen und unsere Bedenken lösten sich (fast) in Luft auf.


Bis dann Euer Steffen

2792 Aufrufe

0 Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare

Kommentar hinzufügen