31.07.2015 Bewohnerbeiträge
Eine Fahrt von Krautheim nach Öhringen
2016 im April wird in Öhringen die Landesgartenschau eröffnet. Wir, wollen da dabei sein. Wir, das sind Biggi, Sandra, Anita und Jutta, vier Rollifahrerinnen aus dem Eduard Knoll Wohnzentrum. Von Krautheim nach Öhringen sind es um die 35 km. Eigentlich dürfte es nicht so schwer sein, nach Öhringen zu kommen, zumal es ja den öffentlichen Nahverkehr gibt, dachten wir.
Barrierefreiheit und Inklusion sind Themen, die sich Catherine Kern, Landtagskandidatin der Grünen, vom Wahlkreis Hohenlohe
http://gruene-hohenlohe.de/landtagswahl-2016/ auf die Fahnen geschrieben hat. Da Catherine Kern schon einige Male bei uns im Wohnzentrum war, entstand Ihre Idee, mit uns eine „Probefahrt“ mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Öhringen zu unternehmen.
Mit in der Reisegruppe waren außerdem Martin Veil, der in der Werkstätte für Menschen mit Behinderung in Krautheim
http://www.wfb-krautheim.de/index.php?site=wfb_krautheim lange Zeit im Werkstattrat tätig war, Harald Ebner, MdB von der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen
http://harald-ebner.de/startseite/ und Thomas Poreski MdL, Sozialpolitischer Sprecher Bündnis 90 / Die Grünen
http://www.thomasporeski.de/start/.
Da wir aber schon langjährige Erfahrung auf dem Gebiet Rollstuhlfahrer haben, wissen wir auch, dass man als Rollifahrer nicht einfach so spontan losziehen kann, wie das für einen Fußgänger möglich ist.
Für uns gibt es vor jeder Unternehmung einiges zu regeln und ab zu klären, vor allem hinsichtlich der Barrierefreiheit.
So hatten wir uns natürlich vor unserer Unternehmung beim Nahverkehr Hohenlohe angemeldet, das heißt mit Datum und Uhrzeit angegeben, dass vier Rollifahrer verreisen möchten.
Geplant war die Route, Krautheim nach Öhringen, über Künzelsau und Waldenburg. Als der Bus in Krautheim vorfuhr, war schnell klar, dass auf keinen Fall vier Rollifahrer in einen Bus passen. Mit der freundlichen Unterstützung des Busfahrers gelang es schließlich, dass zwei Rollis mitfahren konnten. Für die Fußgänger gab es ausreichend Plätze.
Wir hatten vorgesorgt und einen Bus von unserem Haus bereitgestellt, der die Route parallel mit den anderen beiden Rollis mitfuhr. Während der Fahrt erfuhren wir dann allerdings vom Busfahrer, dass es in Waldenburg nicht mit einem Bus, sondern mit dem Zug weitergehen würde. Für uns könnte das ein Problem sein, denn wir wissen natürlich nicht, ob es dort eine Einstiegsmöglichkeit für Rollis gibt. Jetzt war guter Rat teuer. Entweder dem ursprünglichen Zeitplan zu folgen, dafür aber das Risiko eingehen in Waldenburg nicht in den Zug einsteigen zu können, oder aber in Künzelsau eine dreiviertel Stunde zu warten, dafür aber im Bus nach Öhringen zu fahren ohne weiteres Umsteigen. Nach kurzer Diskussion entschieden wir uns für Plan B. Das bedeutete, dass wir nicht nur eineinhalb Stunden unterwegs waren, sondern insgesamt mehr als zwei Stunden.
Nun hatten wir wieder ausreichend Zeit für Gespräche. Z. B. erzählte uns Harald Ebner von seinem momentanen Experiment zur Nachweisbarkeit von Giftstoffen im Körper und der aktuellen Debatte zum Thema Pestizide. Für Jutta war allein schon das Busfahren ein Abenteuer, denn: In meiner Schulzeit war ich noch Fußgängerin und bin oft Bus gefahren, aber seit ich im Rollstuhl sitze, habe ich mich nicht mehr getraut, Bus zu fahren“.So war die Zeit bis nach Öhringen für uns sehr kurzweilig.
Für Öhringen hatte sich Friedemann Huber einen Rundgang ausgedacht bei dem er uns sowohl negative wie auch positive Lösungen zum Thema Barrierefreiheit zeigen konnte. Uns haben die zahlreichen Rampen vor den Geschäften sehr beeindruckt, denn so konnten wir theoretisch in viele Geschäfte reinkommen. Harald Ebner versuchte einmal vom Rollstuhl aus in eine Toilette zu kommen. Erst jetzt erkannte er so richtig die Schwierigkeiten, auf die ein Rollstuhlfahrer ständig trifft. Sogar ob eine Türe nach innen oder nach außen aufgeht, kann unter Umständen für einen Rollifahrer ein unüberwindbares Hindernis sein. Die eigene Erfahrung scheint auf alle Fälle dazu bei zu tragen, dass sich etwas zum Positiven verändert. Das zeigt ein Beispiel von Friedemann Huber: “Jahrelang habe ich beim Landratsamt angeregt, den Eingangsbereich durch eine automatische Türöffnung auch für Rollifahrer leichter zugänglich zu machen. Geändert wurde es aber erst, nachdem das Landratsamt selber einen Mitarbeiter im Rollstuhl bekam. Von dieser kleinen aber wirkungsvollen Verbesserung profitieren aber nicht nur Rollifahrer, sondern auch Gehbehinderte oder Personen mit einem Kinderwagen.
Diese Exkursion hat die anwesenden politisch Tätigen ziemlich beeindruckt, zumindest war zu hören, dass sie einiges an Anregungen mitnehmen.
Für uns war dieser Tag zwar anstrengend, aber wir hoffen, dass wir mit solchen Aktionen dazu beitragen können, dass irgendwann einmal das Thema Barrierefreiheit und Inklusion kein Thema mehr sein muss.
Wir sind noch gespannt, was die regionale Presse, die durch Juliane Reck, Redakteurin der Heilbronner Stimme, vertreten war, über diese Aktion berichten wird.
Eure Biggi, Sandra, Anita und Jutta
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