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Beitrag vom 11.01.2013: Situation in der Pflege

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Wie hat sich der bürokratische Aufwand während deiner Berufsjahre in der Pflege verändert?

Seit sehr langer Zeit arbeite ich in der Pflege, der bürokratische Aufwand hat sich dabei enorm erhöht. Früher hat man sein Namenskürzel gesetzt und noch wichtige Sachen in der Dokumentation vermerkt. Heute beginnt alles mit einer noch zeitintensiveren Pflegeplanung, dabei muss jede Tätigkeit abgehakt werden, danach muss alles schriftlich festgehalten werden, was außer der Reihe noch anfällt. Das war aber noch lang nicht alles. Die Pflege muss sich immer mehr absichern und muss für verschiedene Behörden vorweißen können, was das Pflegeperonal so den Tag über leistet. Es kann kein Handschlag mehr getan werden, ohne dass dies dokumentiert werden muss, nach dem Motto: „Was nicht geschrieben ist, wurde nicht erledigt!“



Was wird dokumentiert, kannst du uns mal eine Tätigkeit beschreiben die du machst und wie du sie dann aufschreibst?

Es wird alles dokumentiert. Ich habe mich hier für das Beispiel der Ganzkörperwaschung entschieden: Dafür muss ich zuerst eine Pflegeplanung erstellen, in dieser steht: Was der Bewohner selber, oder zum Teil selber, oder gar nicht machen kann. Im nächsten Schritt der Pflegeplanung muss ich aufführen, was passieren kann, wenn der Bewohner nicht gewaschen wird und dann muss ich noch das Ziel dieser Leistung beschreiben, wie z.B. ein gepflegtes Erscheinungsbild, gekämmt und rasiert sein… Ich muss Maßnahmen und Zeiten festlegen, wann und wie die Ganzkörperwaschung durchgeführt wird, anhand dieser Maßnahmen muss ich Zeiten erfassen, wie und wann ich die Ganzwaschung durchführe. Ach und was ich ganz vergessen habe, der Bewohner muss ja auch noch gewaschen werden.



Die Schreibarbeit bedeutet ja zusätzliche Arbeit für dich, bekommst du dafür mehr Arbeitszeit, oder geht die Zeit, die du für die Schreibarbeit brauchst dann von der Zeit ab, die du sonst für die Bewohner hättest?

Für die Schreibarbeit gibt es keine zusätzliche Zeit, sie muss in der jeweiligen Schicht durchgeführt werden. Es kommt auch vor, dass man Überstunden machen muss wenn der Mitarbeiter dazu bereit ist, das wird aber vom Arbeitgeber auch so vergütet. Wer oder was dann auf der Strecke bleibt, dazu kann sich jeder selbst Gedanken machen. Die Zeit könnte sinnvoller genutzt werden.



Wozu wird das jetzt alles dokumentiert?

Damit man z.B. gegenüber den Kassen oder andere Instituten abrechnen kann. Es ist wichtig, um Nachweise zu schaffen, dass man seine Arbeit getan hat. Zur Absicherung, wenn irgendetwas vorfällt und die Dokumentation ist ganz wichtig. wenn Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes das Haus kontrollieren.



Was hast du für Vorschläge, wie man die Mängel beheben könnte?

Leider kann man diesen Aufwand an Bürokratie nicht beheben, dafür leben wir im falschen Land. Ich würde mir aber wünschen, dass sich Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes bei einer Überprüfung mehr Zeit für den Bewohner nehmen würden, ihn fragen, wie er mit der Pflege zufrieden ist und sich sein äußeres Erscheinungsbild ansehen.

Im Gegenzug müssten sie dann weniger Zeit am PC mit der Prüfung von Dokumentation verbringen.



Hat die momentane Praxis Auswirkungen für dich in deiner beruflichen Laufbahn?

Ich liebe und mache meine Job noch immer so gerne wie am ersten Tag. Allerdings frage ich mich oft, ob die Ausbildung zum Pfleger nicht besser in der kaufmännischen Schule, anstatt in der hauswirtschaftlichen Schule absolviert werden sollte.

Die Belastung in diesem Beruf steigt aber ständig an, waren es früher Bandscheibenvorfälle, die an erster Stelle standen, ist es heute das Burn Out Syndrom, auch ein großer Aspekt.

Man macht sich viele Gedanken, wie man es den Behörden recht machen kann. Man sucht und braucht Lösungen bei vorhandenen Problemen. Man hat Bedenken vor der nächsten Überprüfung, weil man weiß, dass diese wieder etwas finden und man wieder nach Lösungen suchen müssen. Man kommt sich vor wie ein Hamster in einem Laufrad, der nicht ins Ziel kommt. Natürlich ist das auch immer eine Herausforderung und ich persönlich liebe diese. Aber immer alles richtig und für jeden zufriedenstellend zu machen, ist unmöglich.

Trotz allem bin ich froh, dass ich diesen Beruf erlernt habe und ich werde diesen weiter ausüben so lange ich kann.