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Beitrag vom 06.10.2011: Der alte Mann und sein Pferd

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Der alte Mann und sein Pferd - Chinesische Geschichte aus der Zeit Laotse





Erzähler: Ein alter Mann lebte in einem Dorf, sehr arm, aber selbst Könige waren neidisch auf ihn, denn er besaß ein wunderschönes weißes Pferd. Könige boten phantastische Summen für das Pferd, aber der Mann sagte dann

Alter Mann: Dieses Pferd ist für mich kein Pferd, sondern ein Freund. Und wie könnte ich einen Freund verkaufen.?

Erzähler: Der Mann war arm, aber sein Pferd verkaufte er nie.

Eines Morgens fand er sein Pferd nicht im Stall. Das ganze Dorf versammelte sich und die Leute sagten

Leute : Du dummer alter Mann! Wir haben immer gewusst, dass das Pferd eines Tages gestohlen würde. Es wäre besser gewesen, es zu verkaufen. Welch ein Unglück

Erzähler: Der alte Mann sagte

Alter Mann: Geht nicht soweit, das zu sagen. Sagt einfach: Das Pferd ist nicht im Stall. Soviel ist Tatsache, alles andere ist Urteil. Ob es ein Unglück ist oder ein Segen, weiß ich nicht, weil dies ja nur ein Bruchstück ist. Wer weiß was darauf folgen wird?

Erzähler: Die Leute lachten den Alten aus. Sie hatten schon immer gewusst, dass er ein bisschen verrückt war. Aber nach fünfzehn Tagen kehrte eines Abends das Pferd plötzlich zurück. Es war nicht gestohlen worden, sondern in die Wildnis ausgebrochen. Und nicht nur das, es brachte noch ein Dutzend wilder Pferde mit. Wieder versammelten sich die Leute und sie sagten

Leute:  Alter Mann, du hattest recht. Es war kein Unglück, es hat sich tatsächlich als ein Segen erwiesen.

Erzähler: Der Alte entgegnete

Alter Mann: Wieder geht ihr zu weit. Sagt einfach: das Pferd ist zurück.... wer weiß, ob es ein Segen ist oder nicht? Es ist nur ein Bruchstück. Ihr lest ein einziges Wort in einem Satz. Wie könnt ihr das Buch beurteilen?

Erzähler: Dieses Mal wussten die Leute nicht viel einzuwenden, aber innerlich dachten sie, dass der Alte Unrecht hatte. Zwölf herrliche Pferde waren gekommen...

Der alte Mann hatte einen einzigen Sohn, der begann, die Wildpferde zu trainieren. Schon eine Woche später fiel er vom Pferd und brach sich die Beine. Wieder versammelten sich die Leute, und wieder urteilten sie. Sie sagten

Leute: Wieder hattest du recht! Es war ein Unglück. Der einzige Sohn kann nun seine Beine nicht mehr gebrauchen, und er war die einzige Stütze deines Alters. Jetzt bist du ärmer als je zuvor!

Erzähler : Der Alte antwortete

Alter Mann:  Ihr seid besessen von Urteilen. Geht nicht so weit. Sagt nur, dass mein Sohn sich die Beine gebrochen hat. Niemand weiß, ob dies ein Unglück oder ein Segen ist. Das Leben kommt in Fragmenten, und mehr bekommt ihr nie zu sehen.

Erzähler: Es begab sich, dass das Land nach ein paar Wochen einen Krieg begann. Alle jungen Männer des Ortes wurden zwangsweise zum Militär eingezogen. Nur der Sohn des alten Mannes blieb zurück, weil er verkrüppelt war. Der ganze Ort war von Klagen und Wehschreien erfüllt, weil dieser Krieg nicht zu gewinnen war und man wusste, dass die meisten der jungen Männer nicht nachhause zurückkehren würden. Sie kamen zu dem altem Mann und sagten

Leute:  Du hattest recht , alter Mann- es hat sich als Segen erwiesen. Dein Sohn ist zwar verkrüppelt, aber immerhin ist er noch bei dir. Unsere Söhne sind für immer fort.

Erzähler: Der alte Mann antwortete wieder

Alter Mann: Ihr hört nicht auf zu urteilen. Niemand weiß! Sagt nur dies: dass man eure Söhne in die Armee eingezogen hat und dass mein Sohn nicht eingezogen wurde. Doch nur das Ganze weiß, ob dies ein Segen oder ein Unglück ist.